ZfM 33, erscheint im September 2025
Aneignung Revisited: Memes
Nicht erst seit den Debatten über cultural appropriation ist auch in der Medienwissenschaft häufig von ‹Aneignung› die Rede. Dabei kann sich der Begriff sowohl auf konkrete Medienpraktiken wie Zitat, Remix oder Reenactment beziehen wie auch auf die grundsätzlich ‹sekundäre› Beschaffenheit von Kunst als kreativer Referenzkultur. Wurde im Anschluss an die Cultural Studies die Aneignung meist als aktive Rezeption verstanden, so hat sich mit den digitalen Partizipationskulturen das Versprechen der User*innen-Ermächtigung auf das ‹Prosumieren› verlagert, da die Affordanzen sozialer Plattformen das Ineinandergreifen von Rezeption und Produktion begünstigen.
Bei dieser Zäsur setzt der Schwerpunkt an und lädt ein, den Aneignungsbegriff unter dem Vorzeichen digitaler Alltags- und Popkultur neu zu überdenken. Angesichts aktueller Debatten bieten sich zwei Perspektiven an, um die teils alten, teils neuen Potenziale und Probleme digitaler Aneignungspraktiken genauer herauszuarbeiten: zum einen die Kritik an kultureller Aneignung und zum anderen Konzepte des digitalen Commoning. Für Analysen einer verteilten Agency, die sich zwischen Material, Medientechniken, Plattformen und Prosument*innen entfaltet, werden hier als exemplarischer Schauplatz Meme-Kulturen vorgeschlagen (wobei von einem weiten, für ihre hoch- dynamischen Mutationen offenen Verständnis von Memes ausgegangen wird). Wenn Meme-Kulturen die grundsätzlichen Ambivalenzen appropriierender Praktiken beerben, stellt sich die Frage: Wann kann Aneignung widerständig oder solidarisch sein, und in welchen Fällen reproduziert sie herrschende Besitz- und Machtverhältnisse?