«Wie ‹weiß› ist die deutschsprachige Medienwissenschaft?»
Ergebnisse einer GfM-Umfrage
In Heft 26 der ZfM diskutiert der Beitrag «Wie ‹weiß› ist die deutschsprachige Medienwissenschaft?» Hintergründe, Ergebnisse und Reflexionen zur Umfrage der GfM und des Forum Antirassismus Medienwissenschaft (FAM), die im Oktober 2021 durchgeführt wurde. In Ergänzung dazu werden in diesem Web-Extra die Antworten auf die neun Fragen der Umfrage mit kurzen Auswertungen vorgestellt.
Die Umfrage wurde am 6.10.2021 an alle aktiven 1.529 Mitglieder der GfM per E-mail verschickt. Die Teilnahme war bis einschließlich 29.10.2021 möglich. In diesem Zeitraum haben 480 Personen den Link aufgerufen, wovon 394 den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Nach Sichtung wurden drei Datensätze wegen ungültiger Antworten (z.B. mit Geburtsjahr 2222) entfernt, so dass 391 gültige Datensätze in die Auswertung eingeflossen sind. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 25,6 Prozent.
1.
Auf die erste Frage «In welchem Jahr sind Sie geboren?» haben alle 391 Befragten geantwortet. In der Altersverteilung der Umfrageteilnehmer_innen, unterteilt nach Generationen, gehören 6,6% der sogenannten Babyboomer-Generation an (Jg. 1946-1964), 37,2% der Generation X (Jg. 1965-1980), 54,8% sind Millennials (Jg. 1981-1996) und 1,4% gehören zur jüngsten Generation Z (Jg. ab 1997).
2.
Auf die zweite Frage «Welchem/n Geschlecht/ern ordnen sie sich zu?» haben sich von den 391 beteiligten Personen (bei möglicher Mehrfachnennung) 49,8% (n=195) als «weiblich», 42,2% (n=165) als «männlich», 2,0% (n=8) als «divers», 0,7% (n=3) als «trans*» bezeichnet, während 7,2% (n=28) eine Einordnung ablehnten. 2,3% der Befragten (n=9) gaben weitere bzw. andere Geschlechtsidentifikationen an, darunter fanden sich (z.T. mehrere) Nennungen wie «nonbinär», «agender» oder «fluide».
3.
Die dritte Frage zu Migrationsgeschichte erlaubte sechs verschiedene Antworten, die auf eine Differenzierung von direkter oder indirekter Migrationserfahrung abzielten. Es bestand die Möglichkeit zur Mehrfachauswahl, die auch in Anspruch genommen wurde. Von den 391 Befragten haben alle mindestens eine der Antwortmöglichkeiten ausgewählt, insgesamt sind 448 Antworten eingegangen.
Es konnte die eigene Migrationsgeschichte angegeben werden, was 11,7% (n=46) der Befragten taten, bzw. die der Eltern (17,1%, n=67) oder Großeltern (25,3%, n=99). Ferner bestand die Möglichkeit, eine Prägung der Lebenserfahrung durch Arbeitsmigration nach 1955 (Anwerbeabkommen) (2,6%, n=10) oder Fluchterfahrung (2,3%, n=9) anzugeben. Die Option «Nichts davon trifft zu» wurde von der Mehrheit der Befragten (55,5%, n=217) angegeben.
Bei der Gegenüberstellung von Migrationsgeschichte/Fluchterfahrung und Selbstbezeichnung wird sichtbar, dass für die Mehrheit derer, die sich als «weiß» (n=164, 24,0%) oder als «deutsch» (n=319, 46,7%) bezeichnen, keine Flucht- oder Migrationserfahrung für die Befragten vorliegt. Gleichzeitig geben insgesamt 43,0% (n=137) derjenigen, die sich als «deutsch» bezeichnen eine eigene Migrationsgeschichte (8,2%, n=26) oder eine der Eltern (18,2%, n=58) oder Großeltern (27,3%, n=87) an; 2,2% (n=7) geben eine Prägung durch Arbeitsmigration und 2,5% (n=8) Fluchterfahrung an.
Von denjenigen, die sich selbst als «weiß» bezeichnen, geben insgesamt 32,9% (n=54) an, eine Migrationsgeschichte zu haben (davon 6,1%, n=10 eine eigene,13,4%, n=22 der Eltern 21,3, n=35 der Großeltern). Weitere 1,2% (n=26) sind durch Arbeitsmigration geprägt und 1,8% (n=3) durch Fluchterfahrung.
Von denjenigen, die sich als «Person of Color» (n=12) bezeichnen, geben alle eine Migrationserfahrung an: die eigene (33,3%, n=4), eine der Eltern (83,3%, n=109) oder der Großeltern (50%, n=6); 8,3% (n=1) davon haben eine Lebenserfahrung durch Arbeitsmigration nach 1955.
4.
Eine zentrale Frage in der Umfrage war die vierte Frage: «Welche der folgenden (Selbst-)Bezeichnungen trifft/treffen am ehesten auf Sie zu?» Hier waren Einfach- und Mehrfachantworten möglich. Um die Multidimensionalität von (Selbst-)Bezeichnungen besser darstellen zu können, haben wir uns im Spektrum der Antworten gegen die Aufnahme von Bindestrich-Bezeichnungen entschieden und stattdessen um Mehrfachnennungen gebeten; dies wurde im Fragebogen mit dem Beispiel «Wenn Sie sich selbst als Türkisch-Deutsche Person of Color bezeichnen würden, kreuzen Sie bitte sowohl ‹Person of Color›, ‹Deutsch› als auch ‹Türkisch› an» beschrieben.
Für die 391 ausgewerteten Fragebögen sind insgesamt 683 Antworten eingegangen, wobei jede_r Befragte mindestens eine Antwort gegeben hat. Es standen insgesamt 40 Antwortkategorien zur Auswahl, darin wurden verschiedene Begriffe angeboten, die sich auf nationale, ethnische, phänotypische oder politische Beschreibungen beziehen. Auch die Option «Für mich treffen andere Selbstbezeichnungen zu» wurde angeboten, verbunden mit der Einladung, in einem Freitextfeld eigene Bezeichnungen anzugeben, was 65 mal in Anspruch genommen wurde als alleinige Bezeichnung oder in Kombination (siehe Abb. 5).
Die Mehrheit der Teilnehmer_innen nutzte die Option der Mehrfachbezeichnung. Durchschnittlich wählten Teilnehmende 1,75 Kategorien. 43,2% der Befragten (n=169) bezeichneten sich mit nur einer Kategorie, 43,7% (n=171) mit zwei Kategorien und 13,4% (n=51) mit drei oder mehr.
Die Selbstbezeichnung «Deutsch» wurde von 81,6% der Befragten (n=319) gewählt, davon von 31,2% (n=122) als alleinige Kategorie, von 50,4% in Kombinationen (n=197) – am häufigsten in Kombination mit «weiß» (29,4%, n=115), gefolgt von Kombinationen mit «schweizerisch», «polnisch» oder «französisch» (je n=4).
Die am zweithäufigsten gewählte Selbstbezeichnung war «weiß» von 41,9% (n=164) der Befragungsteilnehmer_innen. Nur 2,3% (n=9) der Befragten wählte «weiß» als alleinige Selbstbeschreibungskategorie, für 39,6% (n=155) wurde sie in verschiedenen Kombinationen benutzt, u.a. mit Kombinationen von «deutsch», «österreichisch» (1,8%, n=7), «schweizerisch» (0,5%, n=2), mit anderen Nationalitäten und auch mit «Migrant*in» (1%, n=4) oder mit «andere» (3,8%, n=15).
Die nächstgrößte Gruppe (6,4%, n=25) sind Personen, die als Selbstbezeichnung «österreichisch» benutzt haben. Von diesen hat weniger als die Hälfte (n=11, 2,8%) «österreichisch» als alleinige Kategorie genutzt.
«Person of color» wurde insgesamt von 3,1% (n=12) der Befragten genutzt, jeweils in Kombinationen mit anderen Beschreibungskategorien.
«Migrant*in» wurde ähnlich oft (2,8%, n=11) als Selbstbezeichnung gewählt und trat nur einmal als alleinige Kategorie auf. Die nächsthäufig gewählten Begriffe waren «französisch» (2,8%, n=11), «schweizerisch» (2,6%, n=10); «russisch» und «polnisch» (je 2,3%, n=9); «jüdisch» (2,1%, n=8) und «türkisch» (1,8%, n=7).
Von den 40 Kategorien wurden vier nur jeweils zweimal gewählt («Schwarz», «Iranisch», «Arabisch», «Afrodiasporisch»), 10 nur jeweils einmalig gewählt («Ungarisch», «Syrisch», «Rumänisch», «Kurdisch», «Kroatisch», «Japanisch», «Indisch», «Griechisch», «Chinesisch», «Afghanisch») und 10 durch keine der Teilnehmer_innen gewählt («Vietnamesisch», «Spanisch», «Slowenisch», «Sinti*zze und Rom*nja», «Portugiesisch», «Persisch», «Pakistanisch», «Marokkanisch», «Koreanisch»).
Die Auswertung der offenen Antworten auf die Frage zur Selbstbezeichnung zeigt verschiedene Tendenzen. Einerseits wurden weitere nationale Zugehörigkeiten aufgezeigt (Armenisch, Bosnisch, Brasilianisch, Britisch, Chilenisch, Indonesisch, Norwegisch, Philippinisch, Ukrainisch). Gleichzeitig gab es aber auch den Wunsch, sich in größeren Kontexten zu verorten (z.B. Europäisch, Internationalistisch, Osteuropäisch, Latine, Weltbürger, Mensch) oder in kleineren regional spezifischen Gebieten (Wiener, Hannoveraner, Rheinländer, südtirolerisch) oder in Angaben, die eine historische Komponente beinhalten, die für die Sozialisation als relevant angesehen werden kann (schlesisch, ostdeutsch, Ex-DDR-Bürger; Westdeutsch, sowjetisch, post-ost, postnational, sozialisiert in Österreich, Mutter war Flüchtling aus ehemals. deutschen Gebieten oder Kind von Vertriebenen). Eine aus der Science-Fiction entlehnte Identität als Klingonisch findet sich auch darunter.
5.
Die fünfte Frage des Fragebogens lautete «Fühlen Sie sich einer oder mehreren Religionsgemeinschaft/en oder Weltanschauung/en zugehörig?» Von den 391 Befragten haben alle mindestens eine Angabe gemacht. Insgesamt sind 466 Antworten eingegangen. Der Großteil der Teilnehmer_innen ist keiner Religionsgemeinschaft oder Weltanschauung zugehörig (43,1% , n=201), gefolgt von «christlich» (20,6%, n=96), «atheistisch» (16,7%, n=78), «agnostisch» (12,7%, n=59), «buddhistisch» (1,7%, n=8), «jüdisch» (1,5%, n=7), «muslimisch» (1,1%, n=5), «hinduistisch» (0,2%, n=1) und anderen (2,4%, n=11).
Im Vergleich zur Abfrage der Selbstbezeichnung sticht heraus, dass gleiche Begriffe unterschiedlich als religiös oder kulturell bzw. identitätsbezogen genutzt werden. Unter den Selbstbezeichnungen taucht «Christin» nur einmalig im Freitextfeld auf, im Vergleich zu den 20,6% der Befragten in der Kategorie Religion. Von den acht Personen, die sich in Frage 4 als «jüdisch» bezeichnen, gaben bei der Frage nach der Religion nur vier «jüdisch» an. Gefragt nach Religion antworteten fünf Befragte mit «muslimisch», im Vergleich dazu wurde dreimal «muslimisch» als Selbstbezeichnung gewählt. Diese verschiedenen Angaben zeigen noch einmal die Komplexität der Bezeichnungen.
6.
Auf die sechste Frage «In welchem Land arbeiten Sie?» antwortete die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden mit Deutschland (86,2%, n=337), gefolgt von Österreich (6,4%, n=25) und der Schweiz (2,3%, n=9). Darüber hinaus wurden als weitere Angaben die Niederlande (n=5), Luxemburg (n=3), Großbritannien (n=2), und jeweils einmal Frankreich, Israel, Russland, Japan und die USA als Arbeitsorte genannt.
7.
Für eine Einordnung der Arbeit im institutionellen Umfeld lautete die siebte Frage: «Wo sind sie beruflich angesiedelt?» Zur Auswahl standen die Optionen öffentliche (n=323) oder private (n=14) Hochschulen sowie die Unterteilungen in Universität (73,1% n=286), Kunsthochschule (7,4%, n=29), Fachhochschule (4,3%, n=17), Forschungseinrichtung (1,3% n=5). Darüber hinaus war die Option «keine institutionelle Anbindung» wählbar. Im Freitextfeld wurden 23 weitere Institutionsformen angegeben, darunter finden sich spezifische Angaben wie Kunstuniversitäten und außeruniversitäre Einrichtungen wie Archiv, Museum, Stiftung, PR Agentur, Filmproduktion, NGO oder Privatwirtschaft.
8.
In der achten Frage ging es um die Beschäftigungsposition. Es standen 17 verschiedene Formen sowie eine Freitextfeld zur Auswahl. Unter allen Befragten (N=391) befanden sich 81 Professor_innen (20,7%). Die Mehrzahl von ihnen befindet sich auf Lebenszeitstellen in Lebenszeitpositionen (12,6%, n=51), gefolgt von befristeten Professuren (3,4%, n=12), Junior-/Assistenzprofessuren (1,5%, n=7 mit und 1,1%, n=4 ohne Tenure Track) und Gast-/Vertretungsprofessuren (1,8%, n=7). Aus dem sogenannten Mittelbau haben sich 232 Personen (59,3%) beteiligt, wovon die Mehrzahl als Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen beschäftigt sind, nämlich 20,8% (n=83) als Prädocs und 23,4% (n=93) als Postdocs.
Insgesamt befindet sich die Mehrheit der Befragten in befristeten Anstellungen (60,1%, n=235), 16,4% (n=64) in unbefristeten Anstellungen, 6,4% (n=22) gehen einer freien Tätigkeit nach und 11,3% (n=45) haben andere Formen angegeben (u.a. Studierende, Projektleitung, Verwaltungsjobs, Jobs im Kulturbereich), 3,2% (n=11) haben keine Angabe gemacht.
9.
Auf die neunte und letzte Frage des Fragebogens nach dem Beschäftigungsumfang hat die Mehrheit der Befragten angegeben, in einem Vollzeitverhältnis zu arbeiten (49,8%, n=195), gefolgt von einer halben Stelle (14,8%, n=58), einer Dreiviertel-Stelle (7,9%, n=31) und einer Zweidrittel-Stelle (5,9%, n=23). Etwa ein Sechstel der Beteiligten (16,62%, n=65) befindet sich in anderen Beschäftigungsformen mit variablen Umfängen von Teilzeit und gestückelten Stellen, Lehraufträgen oder Werkverträgen.
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