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Télévision: le moment expérimental. De l'invention à l'institution (1935-1955)

1.9.2009

Die frühe Phase des Fernsehens war Gegenstand einer dreitägigen Tagung, zu der das Centre d’Etudes sur les Médias, les Technologies et l’Internationalisation der Université de Paris 8 und das Institut National de l’Audiovisuel Ende Mai nach Paris eingeladen hatten. In knapp 50 Vorträgen nahmen die Referentinnen und Referenten die Emergenz des Fernsehens, die ästhetischen Experimente mit dem neuen Medium sowie seine institutionelle und programmliche Stabilisierung in den Blick.

Angesicht seiner Herausbildung in je spezifischen nationalen Kontexten ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Vorträge den Institutionalisierungsprozess des Fernsehen in einzelnen Ländern (z.B. Australien, Griechenland, Italien, Luxemburg) diskutierten. Einige Beiträge forderten jedoch explizit eine transnationale Perspektivierung der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Fernsehen ein (Jérôme Bourdon) oder problematisierten die nationale Fokussierung. So beschrieb Alexander Dhoest beispielsweise die diskursive Formierung des flämischen Fernsehen als nationales Medium; Sonja de Leeuw wies am Beispiel des nieder-ländischen Fernsehpioniers Erik de Vries darauf hin, dass Fernsehen häufig in internationalen Kooperationen entwickelt und institutionell etabliert wurde. Dass eine transnationale Perspektive auch wichtige Einsichten für die Diskussion des Fernsehprogramms bzw. einzelner Sendungen und ihrer Vermarktung ermöglicht, zeigte Michael Kackman eindrücklich in seiner Diskussion von Hopalong Cassidy, einer Western-Serie, die zuerst im Kino und ab den späten 1940er Jahren im Fernsehen lief und deren Figur als brand transmedial und international vermarktet wurde (siehe auch Michael Kackmans Text im Cinema Journal 47,4).

Die Formierung des Fernsehprogramms und die Herausbildung einzelner Genres war ein zweiter Schwerpunkt der Tagung. Dabei wurde unter anderem das Problem der Kategorisierung von Programmeinheiten (François Jost) diskutiert. Mehrere Vorträge widmeten sich der textuellen Form der Serie oder gingen der Entwicklung einzelner Genres wie Sportsendungen (Fabien Wille), Nachrichten (Pierre Sorlin) oder Teenager-Programme (Mary Celeste Kearney) nach. Mit einem spezifischen Format der 1950er Jahre beschäftigten sich Ira Wagman und Jacob Smith: dem Bildungsfernsehen. Wagman beschrieb das Tele-Club-Projekt der UNESCO, dem das Konzept zugrunde lag, durch die kollektive Rezeption von Fernsehsendungen und anschließende Diskussionsrunden das junge Massen-medium für friedensstiftende Zwecke zu nutzen. Smith stellte hingegen Shakespeare on TV und This is Charles Laughton vor, zwei US-amerikanische Bildungsprogramme, die von (Fernseh-)Stars moderiert wurden. Während Charles Laughton in seiner Show für Leseabende im Kreise der Familie warb und seinen Zuschauern dies mit ruhiger Stimme auch vorführte, erzählte Frank C. Baxter, Professor für Englisch an der University of Southern California, den Inhalt von Shakespeare-Stücken voller Emphase nach. Ein Vergleich verdeutlichte die unterschiedlichen Konzeptionen von Fernsehen, die den beiden Sendereihen zu Grunde lagen.

Die Beschäftigung mit weiteren Stars (z.B. Frank Sinatra und Gloria Swanson) verdeutlichte nicht zuletzt den produktiven Austausch von Film und Fernsehen. Dass das Fernsehen seine eigene Theoretisierung leistet, wies Jan Olsson anhand der Krimi-Serie Alfred Hitchcock Presents nach, in deren Prolog und Epilog Alfred Hitchcock sich nicht nur über Sponsoren lustig macht und Fernsehmetaphern visuell umsetzt, sondern auch die räumlichen Relationen zwischen Moderator und Fernsehzuschauern thematisiert.

Neben Fragen der ökonomischen Stabilisierung und der Fernsehrezeption wurden schließlich auch die ästhetischen Experimente und Potentiale des neuen Mediums in den Blick genommen. Dabei ging es unter anderem um eine Veränderung der Kunstwahrnehmung (Musik, Ballet) durch das Fernsehen, sowie um Adressierungsformen und Subjekteffekte. So stellte Lynn Spigel beispielsweise die These einer engen Verzahnung von moderner Kunst und US-amerikanischem Fernsehen auf, die sie anhand von Beispielen aus der Fernseh-werbung, dem Titeldesign oder dem Studiodekor eindrücklich belegte (siehe hierzu auch Spigels neues Buch TV by Design). Gilles Delavaud hob hingegen die direkte Adressierung der Zuschauer und Ich-Erzählungen als spezifische Formen des Fernsehens hervor, mit denen die räumlichen Relationen von Zuschauern und Personen/Figuren im Fernsehen ausgehandelt wurden. John Ellis zeigte anhand einer detail-lierten Analyse der britischen Sendung Double your Money, wie das Fernsehen konventionalisierte Umgangsformen über den Haufen warf, indem Moderator Hughie Green die Kandidaten mit unangebrachter Vertrautheit behandelte. Dass sich diese mit proletarischer Performance zu wehren wissen, bringt Green wiederum aus dem Konzept – sein ängstliches Bemühen, die Situation nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, verweist darauf, dass Live-Fernsehen für die Beteiligten immer auch ein furchteinflößendes Unterfangen war. Auch Mark Williams beschäftigte sich mit einer frühen (1949) Live-Situation, die er jedoch als gemeinschafts-stiftendes und medienkonstitutives Moment beschrieb. Durch die Live-Übertragung vom Versuch, die verunglückte 4-jährige Kathy Fiscus aus einem Schacht zu retten, seien soziale Differenzen überwunden und den Zuschauern die Möglichkeit zum Mitleiden gegeben worden.

Dass der historischen Beschäftigung mit dem Fernsehen starke Beschränkungen durch die Zugänglichkeit des Materials gesetzt sind, zeigte sich nicht nur in den Beiträgen zum Live-Fernsehen. Gerade angesichts der Versuche, ästhetische Besonderheiten des Fernsehens herauszuarbeiten, sind Materialanalysen notwendig. So problematisierte Alain Boillat sein Bemühen, Aussagen über die Adressierungsformen des frühen Fernsehens zu treffen, angesichts der Tatsache, dass in den Archiven oft nur stummes Filmmaterial lagert, das während seiner Ausstrahlung live kommentiert wurde. Angesicht der (national) je spezifischen Archiv- und Archivierungspolitik (Judith Keilbach) war es umso erfreulicher, dass während der Tagung frühe Sendungen aus dem französischen Fernsehen gezeigt wurden und eine Führung durch das beeindruckende Fernseharchiv des INA möglich war. Das größte Verdienst der Organisatoren war jedoch, zu einer zweisprachigen Tagung einzuladen, die Fernsehhistorikerinnen und -historikern den Austausch erleichterte. Daher ist es umso bedauerlicher, dass die Diskussion der Beiträge aufgrund des dichten Programms oft zu kurz kamen. So bleibt zu hoffen, dass die aufschlussreichen Ergebnisse der fernsehhistorischen Forschungen, die in Paris so zahlreich vorgestellt wurden, an anderer Stelle eine ausführliche Würdigung erhalten und weitere Diskussionen in Gang setzen. Die Tagung hat jedoch deutlich gezeigt, dass nicht zuletzt die Beschäftigung mit fernsehästhetischen Aspekten gerade in historischer Perspektive noch spannende Einsichten verspricht – und, dass eine nationale Beschränkung der Forschung dem Gegenstand Fernsehen nicht angemessen ist.

September 2009

Bevorzugte Zitationsweise

Keilbach, Judith: Télévision: le moment expérimental. De l'invention à l'institution (1935-1955). In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, Onlinetext, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/television-le-moment-experimental-de-linvention-linstitution-1935-1955.

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