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Pinker Schriftzug "? Porn Studies" auf schwarzem Hintergrund

Bearbeiteter Ausschnitt des Plakats der Ringvorlesung Critical Porn Studies, SoSe2023, Universität Bremen (Bearbeitung von Katrin Köppert)

GAAAP_ The Blog

Porn Studies an deutschen Universitäten?

26.11.2023

Vulgär wird es diesem Verständnis nach also in zweifacher Art sein: der rohe Sex, so abstoßend derb und gewöhnlich, die Pornographieforschung unfein und unwissenschaftlich1

Im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie für die kulturelle Filmförderung der BKM (Beauftragte für Kultur und Medien) ist die aktuelle Kontextualisierung des Begriffs »Pornografie« vonseiten der AG Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft der Gesellschaft für Medienwissenschaft kritisiert worden: Nach dieser Richtlinie seien »Filme, die einen pornographischen oder gewaltverherrlichenden Schwerpunkt haben«,2 nicht zu fördern. Die aktuelle Formulierung stelle pornografische Filme in den Augen der Kritiker*innen auf eine Ebene mit Gewaltverherrlichung und suggeriere, Pornografie sei per se verherrliche Gewalt oder gewaltförmig. Die Stellungnahme fordert für die aktuell ohnehin geplante Überarbeitung eine entsprechende Neuformulierung der Förderrichtlinie, die die Existenz von empowernder und sex-positiver Pornografie anerkennt und als förderbar festlegt.3 Nach meiner Ansicht steht die Problematik der fehlenden Akzeptanz einer solchen Pornografie in Form einer fehlenden Bereitschaft zur Förderung stellvertretend auch für den Stand der Porno-Wissenschaften in der akademischen Welt, die hierzulande nicht die ihnen gebührende Bedeutung erfahren.

Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch auf der akademischen Ebene handelt es sich beim Pornografiekomplex um ein durchaus kontroverses Thema. Im wissenschaftlichen Kontext wird der Porno als sogenanntes Bodygenre beschrieben, bei dem Haltungen, Bewegungen und Berührungen von Körpern thematisiert und mit einer gewisser Symbolik verbunden sind. Die wenigen Wissenschaftler*innen, die sich mit Pornografie auseinandersetzen, müssen sich in der Welt der Forschung immer wieder für Pornografie als Forschungsfeld rechtfertigen. Nicht selten wird Pornografieforschung mit Antifeminismus verwechselt, sagt Andergassen.4 Bei dieser fest eingefahrenen Struktur wird oft die breite Dimension von Pornografie ignoriert, denn die Verzahnung des pornografischen Feldes erstreckt sich über gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die gegenseitige Beeinflussung historischer Veränderungen und Ereignisse sowie die Wechselbeziehung zwischen Kultur und Gesellschaft. »Definiert man Pornografie unter Einschluß (sic!) von Sex und Erotik und aller dazwischen liegender Grauzonen, so bietet sich ein umfassendes Bild eines medienübergreifenden Genres, das der Kultur der Pornografie in jedem Fall besser gerecht werden könnte.«5 Obwohl das Feld der Pornografie also vielschichtig ist und einen großen Einfluss auf gesellschaftlicher Ebene hat, fehlt ihr die akademische Relevanz.


Zwar existiert im wissenschaftlichen Kontext kaum noch eine vollkommene Dämonisierung von Pornografie respektive Sexualität und ihren Darstellungen, stattdessen sehen sich Pornoforscher_innen (sic!) jedoch einer beständigen Diskreditierung ihres Forschungsgegenstands ausgesetzt, fühlen sich als unseriös wahrgenommen oder haben das Bedürfnis immer wieder zu betonen, dass es differenziertere Forschungsansätze geben muss.6


Zuerst in den USA, später auch in anderen Ländern, darunter auch Deutschland, haben sie neue wissenschaftliche Disziplinen wie Women Studies, Gender Studies und Queer Studies an Universitäten und Forschungsinstitutionen entwickelt. Diese gehen auf die Konstruktion von Gender und die Repräsentation von Geschlecht in den Medien ein. Einzig in den USA konnte sich das Wissenschaftsgebiet der Porn Studies etablieren und auch halten. Diese untersuchen die »Dynamiken zwischen pornografischen Repräsentationen und gelebten Wirklichkeiten.«7 Wissenschaftlerinnen wie Clarissa Smith und Linda Williams führen die Forschungen dazu in den USA an. Ihre Forschungsschwerpunkte beziehen sich auf die Konstruktion von Gender, Gender und Medien primär mit der Pornografisierung von Gesellschaft, Zensur und Sexpositivismus. Grund für die im deutschsprachigen Kontext Vernachlässigung des Pornos, „liegt nicht an seiner Seltenheit im deutschsprachigen Kontext, sondern am akademischen Festhalten an einem konservativen und bürgerlichen Kunstideal, das mit der Darstellung explizierter Sexualität das Tabu des Obszönen verband und verbindet“8, ergänzen Kleiner und Stiglegger in ihrer Genreuntersuchung. Eine weitere Begründung ist laut Stiglegger auch, dass die Wissenschaftler*innen, die sich mit einem sogenannten Tabuthema beschäftigen, nicht selber zu einer »tabuisierten Person«9 werden wollen. Er stellt fest, dass aus diesem Grund »die international etablierten ‚porn studies‘ in der deutschen Geisteswissenschaft nicht«10 verankert werden konnten.

Dabei könnten sich mit einer intensiveren Auseinandersetzung von Pornografie auf der wissenschaftlichen Ebene neue Möglichkeiten von gesellschaftlichen Veränderungen und Prozessen erschließen. Lewandowski erkennt, dass Pornografie interdisziplinär ernst genommen werden sollte. Denn, »vielmehr soll Pornographie als soziales Phänomen mit gesellschaftstheoretischen Mitteln in ihrem Verhältnis zur zeitgenössischen Sexualität untersucht werden«11, um Aufschluss über gesellschaftliche Prozesse zu geben. »Die Fachsprache wird der Sexualität als Alltagsphänomen nicht gerecht.«12 So können weder ein respektvoller Umgang mit Pornografie und Sexualität noch eine verbesserte verbale Kommunikation sichergestellt werden. Die Frage also, ob Porn Studies auch an deutschen Universitäten intensiver und vielleicht als eigenständige Disziplin, gelehrt werden sollten – muss mit einem deutlichen Ja beantwortet werden.

  • 1Patrick Catuz: Feminismus fickt! Perspektiven feministischer Pornographie, Wien 2013, 11.
  • 2Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM): Richtlinie für die kulturelle Filmförderung der BKM vom 01. März 2023.
  • 3Kritik an der Verwendung des Pornografie-Begriffs in den Vergabericht-linien für die Filmförderung – Bitte um Streichung, Brief der AG Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft der Gesellschaft für Medienwissenschaft an die Staatsministerin für Kunst und Medien Claudia Roth vom 11.09.2023
  • 4Vgl. Lisa Andergassen: Verhandlungssachen. Pornografie als durchlässige Kategorie. in: dies., Till Claassen, Katja Grawinkel und Anika Meier (Hg.): Explizit! Neue Perspektiven zu Pornografie und Gesellschaft, Berlin 2014, 9.
  • 5Werner Faulstich: Die Kultur der Pornografie. Eine kleine Einführung in Geschichte, Medien, Ästhetik, Markt und Bedeutung, Bardowick 1994, 39.
  • 6Nina Schumacher: Pornografisches. Eine Begriffsethnografie, Sulzbach 2017, 152.
  • 7Kristina Pia Hofer: »More than porn«? Online-Amateurpornografien. in: Martina Schuegraf, Angela Tillmann (Hg.): Pornografisierung von Gesellschaft. Perspektiven aus Theorie, Empirie und Praxis. Reihe: Alltag, Medien und Kultur von Joachim Gottberg, Lothar Mikos, Elizabeth Prommer und Claudia Wegener. Bd. 9, München 2012, 204.
  • 8Marcus Kleiner, Marcus Stiglegger: Der pornografische Film: Definition und Diskurs, in: Handbuch Filmgenre. Geschichte-Ästhetik-Theorie, Wiesbaden 2020, 683-689, hier 683.
  • 9Ebd., 689.
  • 10Ebd.
  • 11Sven Lewandowski: Die Pornographie der Gesellschaft. Beobachtungen eines populärkulturellen Phänomens, Bielefeld 2012, 8.
  • 12Enrico Wolf: Bewegte Körper – bewegte Bilder: der pornografische Film: Genrediskussion, Geschichte, Narrativik; mit einer detaillierten Auswahlfilmografie im Anhang, München 2008, 20.

Bevorzugte Zitationsweise

Graf, Nele: Porn Studies an deutschen Universitäten?. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft, ZfM Online, GAAAP_ The Blog, , https://zfmedienwissenschaft.de/online/porn-studies-deutschen-universitaeten.

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