Viele Bäcker verderben den Brei – Sprachwandel beim Duden
Der Deutschlandfunk vermeldete eine grundlegende Neuerung zur geschlechtergerechten Sprache im DUDEN, dem Gral der deutschen Sprachnormen – zunächst in der Online-Fassung, die gedruckte wird nachkommen. Neu ist: «Zukünftig ist mit Arzt nur noch der Mann gemeint, die Ärztin kriegt einen eigenen Eintrag.» Das heißt: «Alle rund 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen sollen in der Weise geändert werden, dass es künftig statt eines Wortartikels zwei gibt, einen für die männliche und einen für die weibliche Form [...] Im Online-Duden ist künftig ein Mieter nicht mehr ‹jemand, der etwas gemietet hat›, sondern eine ‹männliche Person, die etwas gemietet hat›. Ein Schüler wird definiert als ‹Junge, Jugendlicher, der eine Schule besucht›. Damit verschwindet faktisch das sogenannte generische Maskulinum bei Personenbezeichnungen. Ein ‹generisches Maskulinum› ist ein Wort, das eine geschlechtsneutrale Bedeutung hat und sich auf Männer und Frauen gleichermaßen bezieht.» Nein, tut es nicht. Aber diese bequeme maulige und offensichtlich widersinnige Behauptung (etwas bezeichnet gleichzeitig ein Geschlecht und dann beide, damit sei es ‹neutral›, ein Klassiker für die scheinbar nicht markierte Norm) stirbt nur sehr langsam aus – jedes Privileg wird Buchstabe für Buchstabe einzeln im Abstiegskampf verteidigt. Man könnte auch sagen: Der Duden wollte seinen alten Pelz waschen, aber sich nicht nass machen. Irgendwas muss man doch tun mit diesem Sprachwandel, wo schon die Traditionsmedien nun die kleine Lücke zwischen Autor_innen oder Bürger_innen mitsprechen, Merriam Webster das Kürzel «Mx.» aufnimmt und schon 2015 «cisgender» im Oxford English Dictionary wörterbuchfähig wurde. Also gibt es nun eine Doppelung mancher Einträge: einen für den Bäcker, einen für die Bäckerin. Anstatt der Einfachheit, Übersichtlichkeit und Gerechtigkeit halber aus den Bäckern, Bäckerinnen und Bäckern, backenden Menschen etc. einfach Bäcker_innen zu machen oder auch Bäcker:innen, verquarste sich eine Redaktion, die etwas tun musste, aber nicht wollte.
Natürlich melden sich sogar zu dieser Verkrümmung, deren Halbwertszeit sicher bald abgelaufen sein wird, wie immer die Altlinguisten zu Wort, die von Gesetzesverstößen und «Irreführung des Lesers» (die Leserin ist selbstverständlich immer mitgedacht) sprechen. Tobias Wenzel beklagte sogar, dass «der Bäcker keine Bäckerin mehr sein darf», in einer freidrehenden Ironie und Witzischkeit («Optimismus oder meinetwegen Optimismuse»), deren Hilflosigkeit nur noch durch die Aggressivität dieser Abwehrhaltung überboten wird. Wenzels Presseschau legt nahe, eine solche «Identitätspolitik» führe der WELT oder dem SPIEGEL zufolge geradewegs zu Trump oder seinem Kapitol-stürmenden Mob. Linguistin Gabriele Diewald begründet die Reform allerdings gekonnt und historisch.
Anders gesagt, in den Worten von Vera Winkler:
Sie haben es schon wieder getan.
Sie haben «Rettet die deutsche Sprache!» gerufen, und es hat Klicks gehagelt. Demnächst stürmen sie ein Verlagshaus und verhaften alle unpassenden Wörter. Wörter, die ausdrücken, dass Personen verschiedenen Geschlechts sein können. Obwohl alle, die wollen, dies wissen, sogar das oberste Gericht. Wörter, die sich auf die Schiffe begeben haben, von Sternen und Satzzeichen gesteuert. Die sich sich nicht in Quarantäne schicken lassen. Von keiner Norm. Nicht als Wörter. Nicht als Menschen. Obwohl ja Wörter keine Menschen sind.Ich sehe sie schon stürmen, mit Hörnern und Fellen und Kriegsbemalung, im besten Fall in Schwarzrotgold. Fast könnte ich lachen: Just als sie diesen Anspruch offiziell endgültig aufgibt, wird eine Sprachnormierungsbastion mit Gebrüll gestürmt. Aber nur, weil die alten Normen keine Instanz mehr haben.
Wer zwingt hinfort die verschiedenen Geschlechter unter das generische Maskulinum? Lehrt kleine Leute, die erst hören, aber nicht auf euch, und dann schreiben, mit dem Rotstift, wer hier das Schreiben und damit das Sagen hat? Der Duden als Down-Girl, schon lustig. Wenn es nicht so gruselig wäre.
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