Tele-Abortion, Instamoms & Virtual Wombs
Ein Dossier zur Digitalisierung von Sorgearbeit
2023 ist schon wieder in vollem Gange. Wir putzen, waschen Wäsche, plagen uns mit Menstruationsschmerzen herum, rennen Kindern hinterher oder zu pflegenden Liebsten voraus, schnell noch einkaufen, schnell noch Sex haben, schnell noch eine Anti-Aging-Maske drauf, für den Insta-Post später, beim Glas Wein, bei Kerzenschein, kurz bevor es zappenduster wird, weil eine*r doch wieder eingeschlummert ist während der 164. Episode von Desperate Housewifes.
In alle diese reproduktiven und regenerativen Tätigkeiten der (Selbst-)Fürsorge sind mittlerweile Technologien der digitalen Kultur involviert: Pflege- oder Sexroboter, smarte Kühlschränke oder Menstruations Tracking-Apps sind nur einige Beispiele des mittlerweile großen Spektrums der Digitalisierung von Sorge-Arbeit. Das vor Kurzem erschienene Online-Dossier Care & Digitalisierung – Reproduktion in der digitalisierten Gesellschaft des Vereins für feministische Netzpolitik netzforma* e.V. bietet einen umfassenden Einstieg ins Thema.
Im Zentrum steht dabei eine kritische Betrachtung aus queer*feministischer Perspektive, wie aber auch der Versuch, den Beitrag zum Beispiel sozialer Medien für die Entprivatisierung von Sorgearbeit (Lücke) anzuerkennen. In diversen Formaten wie längeren Essays, kurzen Hörbeiträgen oder künstlerischen Arbeiten versammeln die Herausgeberinnen Ann-Kathrin Koster und Hannah Lichtenthäler Themen rund um die visuelle Repräsentation von Schwanger- und Mutterschaft in den sozialen Medien (Jage-D'Aprile), telemedizinische Abtreibungen (Maeffert/Nikitenko), Trans-Elternschaft im digitalen Raum (Maya), den Einsatz intelligenter Technik in Krankenhäusern (Mangler) u.v.m. Das heteronormative Familienkonzept spielt dabei nicht immer die erste Geige, sondern es werden digitale Fürsorgepraktiken im Freund*innenkreis zum Beispiel zur Prävention von Online-Hass (Köver) ebenso thematisiert wie das Potenzial von Chatbots gegen Einsamkeit (Ziethmann). Hervorzuheben sind auch die Beiträge, die deutlich machen, wieviel Arbeit von Menschen mit Behinderung in der Zur-Verfügungstellung des digitalen Alltags steckt (Klappheck) und welche Gerechtigkeitsfragen sich stellen, sobald wir über digitale Reproduktionstechnologien, die genetische Selektion ermöglichen, aus intersektionaler Perspektive nachdenken (Binışık).
Kurzum: Wir starten in das neue Jahr mit der Kategorie Take care und wünschen euch in diesem Sinne eine spannende Lektüre, die zur queer*feministischen Reflexion von Care-Arbeit in der digitalisierten Gesellschaft anregt.
Bevorzugte Zitationsweise
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