Das Bild zeigt das Coach House, in dem sich das McLuhan Center befindet, ergänzt um das Poster zum Format MsUnderstand Media, das unter der Direktion von Sarah Sharma entwickelt worden war. Aufgrund dessen, dass die Aufschrift in der Reproduktion nur schlecht zu lesen ist, wurde das Poster pink eingerahmt. Foto von Erin MacKeen, bearbeitet von Katrin Köppert
Feministische Erweiterungen der McLuhanschen Galaxie
«The programming since the renaming in 2016, has not been McLuhan-centred.»1 Dieser Satz findet sich in einem kleinen Blogeintrag, der bekannt gibt, dass sich ab Ende Februar 2023 das Toronter McLuhan Centre for Culture and Technology nicht länger mit dem Namen Marshall McLuhans schmücken darf, denn dessen Programm sei den Erben und den Nachlassverwalter*innen zufolge nicht genug «McLuhan-centered». 2016 erst in McLuhan Centre for Culture and Technology umbenannt, wird hier nur vorgeblich der medienwissenschaftlichen Forschung an diesem Zentrum der Name des Mannes entzogen, dem die Begründung des Faches in den 1950er Jahren zugeschrieben wird. Tatsächlich jedoch wird mit dieser Entscheidung der Versuch unternommen, intersektionale feministische und rassismuskritische Forschung im Feld der Medienwissenschaften zu delegitimieren und somit eine Kanonerweiterung des Werk McLuhans zu behindern. Dabei handelt es sich mit der Streichung des Namens ‹nur› noch um die Kosmetik eines länger andauernden Prozesses, Druck auf die 2022 ausgeschiedene Direktorin des Centers, Sarah Sharma, mit der Forderung ausgeübt zu haben, das Zentrum sei als ein Ort der «McLuhan Studies» zu betreiben. Dass im Zirkel des McLuhan Fanclubs ‹Druck ausüben› meint, sich wie ein bully zu verhalten, lässt sich eindrücklich im Vorwort des von Sarah Sharma und Rianka Singh herausgegebenen Bandes Re-Understanding Media. Feminist Extensions of Marshal McLuhan2 nachlesen.
Die Drohgebärden, die u.a. im Auflauern und Stören des Unterrichts ihren Ausdruck fanden, lassen ein Ausmaß eines Willens zur ‹Freiheit› erkennen, sich als Eigentümer eines Wissens über McLuhan und sein Werk zu inthronisieren, das eine beim Lesen ins Stocken gerät. Inwiefern diese Machtdemonstration zynischerweise auf einem Miss-Reading McLuhans beruht, ist wiederum in der Einleitung des Bandes zu lesen, der sich mit dem Titel des «Re-Understanding» und der Präposition «re» bewusst dazu entscheidet, McLuhans Werk aus feministischer und rassismuskritischer Perspektive eine Chance insofern zu geben, als es um das Neu- und Wiederentdecken seines Werkes geht – und zwar als eine Theorie von Geschlecht und race.4
Diese Re-Lektüre widerspricht der Idee so etwas wie «McLuhan Studies» oder «McLuhan-centered research» betreiben zu können. Denn McLuhan habe gezeigt, dass es keine der Technologie äußerliche Vorstellung von Identität gäbe und somit keine Möglichkeit, sich auf ein Werk zu beziehen, das über die Person McLuhans oder die Annahme eines wahrhaftigen Wissens über sein Leben erschlossen werden könne. Gerade McLuhans Auffassung, dass Technologie in ihren sich wandelnden Formationen und Operationen soziale Beziehungen (der Ungleichheit) bedingt, stellt den Rahmen zur Verfügung, nachvollziehen zu können, warum sich im Jahr 2023 die Rezeption seines Werks unterscheiden muss. Der Umstand, der sich im Zuge digitaler Medienumgebungen wandelnden Bedingungen sozialer Interaktion kann nicht nur erklären, warum es intersektionale feministische Perspektiven gibt, sondern warum es sie braucht. Ohne sie ist McLuhans Werk nicht mehr anschlussfähig an unsere technologische Gegenwart. Ohne sie würde McLuhan nicht nur im Namen des Centers verschwinden, sondern aus seiner eigenen Galaxie.
Auf eine ausführlichere Besprechung des Bandes Re-Understanding Media. Feminist Extensions of Marshal McLuhan von Noam Gramlich freuen wir uns in der übernächsten Ausgabe der Zeitschrift für Medienwissenschaft, auf deren aktuellen Call wir gern noch einmal hinweisen möchten.
- 1Alexander Kuskis: The End of the McLuhan Centre for Culture & Technology (1968 – 2023). In: McLuhan Galaxy 6.2.2023, https://mcluhangalaxy.wordpress.com/ (13.2.2023).
- 2Sarah Sharma; Rianka Singh: Re-Understanding Media. Feminist Extensions of Marshal McLuhan. Durham; London: Duke UP 2022.
- 3Sharma; Singh: Re-Understanding,1.
- 4Johannes Bruder; Nelly Y. Pinkrah; Sarah Sharma: McLuhan unter Palmen. Über Orte des Denkens, Sprechens und Handelns. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Jg. 14, Heft 26 (1/2022): X | Kein Lagebericht, 25–139. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/18116.
Bevorzugte Zitationsweise
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